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woherwohinwarum

Woherwohinwarum: mehr als der maulwurf sieht der adler: beim kunstflug über kunst und wissenschaft von bruno demattio Immer wieder stellt sich die frage was, eigentlich, ist kunst, kultur und wissenschaft - und vor allem wie hängen sie zusammen, bilden sich weiter, verformen sich, einigen und trennen sich wieder zu einem übergrossen begriff: metaphorisch: this is life.

Kunst und wissenschaft sind wie bruder und schwester oder gar ein paar und beide bilden zusammen das was wir kultur nennen. ein sufi-wort: "du bist der wind und ich bin das feuer".

Again, was ist kunst? lapidar: kunst ist kunst und alles andere ist alles andere (ad reinhart). richtig, doch bleibt die frage ungeklärt: wo sind die grenzen?



Aus einem kürzlich ergangenen urteil des bad-württ. verwaltungsgerichtshofs mannheim im fall einer stripperin: strippen im nachtlokal kann im sinne des grundgesetzes kunst sein: die künstlerin tanzte in einer 4-minuten -show rythmisch zu einem zeitgenössischen musikstück -erst gegen ende zeigte sie sich unverhüllt. also kunst. schau her. das bundesverfassungsgericht karlsruhe entschied, dass das lied "deutschland muss sterben" der hamburger punk-band slime ein kunstwerk sei - und folglich laut gesungen werden darf. hingewiesen wird auf das gedicht "die schlesischen weber" (1844) von heinrich heine, das zwar auch radikale und bittere kritik am vaterland übte - aber eben doch kunst sei..heute sind wir 150 jahre weiter -damals landete heine dafür im knast. eine grosse debatte gabs: sie erinnern sich, wegen haackes plastik für den bundestag "der bevölkerung" (eine meinung der grünen abgeordneten vollmer: bio - kitsch). eine andere verbitterte debatte über das holocost-mahnmahl... oder: nimm die fettecke von beuys (eine putzfrau warf sie auf den müll): auch darüber gibt's ein urteil: kunst. ohne messlatte nennt die touristenwerbung von grindelwald etwa heidi-figuren aus schnee " kunst zum dahinschmelzen". motorsäge , pickel und raspel sind mitzubringen. auf los geht's los. unser aller geschichte hat die vielfältigsten formen, meinungen und statements über kunst und wissenschaft hervorgebracht. immer dafür oder dagegen, strafe, verbannung und /oder verbrennungen (giordano bruno , galileo galilei) - kunst und wissenschaft: warum bewegen sie uns derart? weil sie unser leben berühren.

Ein blick zurück: die älteste plastik , gefunden in einer höhle bei lonsee, nähe ulm, aus einem knochen geschnitzt die löwenfrau, ist 32 000 jahre alt. ebenso alt sind die höhlenmalereien der chauvet-höhle in frankreich. noch älter sind manche felszeichnungen der aboriginees: bis zu 60 000 jahre. schon bei den neandertalern gab es vermutlich kunst: man fand eine blockflöte mit löchern, gearbeitet aus einem schwanenknochen, ca 200 000 jahre alt. auch verfügten sie über die erste wissenschaftliche leistung: neben den werkzeugen die erfindung des feuers. nebenbei: erster mensch erscheint vor 2,5 mio. jahre, neue funde (the millenium-man) deuten auf 6 mio. jahre.

Kunst ist (meyers grosses lexikon) die gesamtheit des von menschen hervorgebrachten, das nicht durch eine funktion eindeutig festgelegt oder darin erschöpft ist, zu dessen voraussetzung hohes können gehört und das sich durch seine gesellschaftliche geltung auszeichnet als ausdruck von besonderheit. natürlich gelten zu den jeweiligen epochen unterschiedliche massstäbe, mit denen wert, funktion und bedeutung des kunstwerks bestimmt werden.

Die freiheit der kunst gilt heute als eine ihrer existenzbestimmungen: ebenso in der wissenschaft: forschung und lehre sind frei. In der kunst hat sich eine besondere erkenntnisform, die ästhetik, herausgebildet - bis hin zur theorie der ästhetik. in seiner "episteme aisthetike" hat alexander baumgarten schon 1750 eine disziplin gefordert , die ein wissen vom sinnenhaften anstrebte, eine thematisierung von wahrnehmungen aller art, sinnenhaften ebenso wie geistigen , alltäglichen wie sublimen, lebensweltlichen wie künstlichen. die heutige entwicklung der kunsttheorie setzt einseitig auf computersimulationen, erschaffung virtueller welten, dem kunst-über-kunst-denken, konzeptkunst, dekonstruktivismus - kopfig eben, zum nachteil des sinnlichen. neue ganzheitliche überlegungen sind angesagt: der dialog mit dem universum, kunst und natur, kunst und chaos, kunst und leben, kunst und wirklichkeit.

Die wissenschaftstheorie dagegen enstand erst am anfang des 20. jahrhunderts, als wichtigststes teilgebiet der theoretischen philsophie: gegenstand sind alle untersuchungen über voraussetzungen, methoden, strukturen, ziele und auswirkungen von wissen. unterschieden wird zwischen der analytischen und der konstruktiven wissenschaftstheorie, dem kritischen rationalismus, dem logischen empirismus. auch in der wissenschaft gelangt man zur einsicht eines neuen paradigmas, weg vom mechanistischen denken, hin zum ganzheitlichen. auch hier eine parallele zur kunst : ein holistisches bewusstsein. ein neues bild der wirklichkeit entstand : bestehend aus mustern (sich selbst organisierenden systemen), aus strukturen (dissipative strukturen nach prigogine) sowie aus dem kognitiven prozess (lernfähigkeit jeder lebenden zelle - santiago-theorie nach maturana und varela). eine eher amüsante parallele: der geniekult (ob einstein oder picasso - auch die religion hat ihre heiligen) - der heute zum billigen starkult degradierte (es gibt sie zu tausenden in den talkshows, warhold forderte "be 15 minutes a star in your life - good enough")- das leben ein entertainment , drücke die enter-taste.

Beuys hat den kunstbegriff erweitert: jeder mensch ein künstler: gemeint ist damit, dass sich der künstler (der mensch) ohne eingeübte absicherungen mit der wirklichkeit konfrontiert, wir wissen es: das leben ist schwierig und mit der wirklichkeit zurechtzukommen schwierig genug: doch kunst? ja, dann wenn man die idee der lebenskunst, ars vivendi, hinzurechnet : bewusster leben, nur dann macht der satz einen sinn zb. ganz einfach: bewusster ein- und ausatmen, oder eine zen-meditation, etwas teurer: ein menü beim italiener mit pasta alle vongole und brunello di montalcino: ein genuss. ein kunstgenuss: kunst ohne werk. die vielfalt der worterfindungen zur kunst sind schon beträchtlich: zb. kunstafter, kunstausstellung, kunstballade, kunstdärme, kunstdruck, kunsteisbahn, kunsterziehung , kunstflug , kunstfahren, kunstfälschung, kunstfehler, kunsthonig etc.
  3 und weiter zum künstlichen winterschlaf , künstliche sprachen oder künstliche intelligenz. künstlich: artifiziell. artificial. auch habe ich schon gehört: this is all arti-farti: ein kunstfurz eben. don't forget: les paradis artificiel (beaudelaire und die seinen).

Noch zu zeiten des sex-fixierten freuds sah man die grössten kulturleistungen - zb. eine symphonie oder ein bedeutendes gemälde - als ausdruck sublimierter sexualität. nein, heute sieht man das lockerer: manchmal schwer erträglich, unverständlich oder monster schaffend: selbst abstruse arbeiten finden sich unter der rubrik grosse kunst. nur wenige beispiele: ungewöhnlich: damian hirst, der englische jungstar, hängt halbierte kühe mit gedärme in formaldehydtanks, verkauft ans museum of modern art in new york, oder fröhlich: jeff koons, mit seiner nachgemachten bambi-world: eine ausstellung in der staatsgalerie stuttgart adelt den kitsch zur kunst. michel houellebecq beschreibt in seinem gefeierten bestseller "elementarteilchen" eine kalte sex-welt ohne liebe. die junkie-world eines burroughs gehört heute mit "naked lunch" zur weltliteratur. harter stoff...die neurosen eines woody allan, umgesetzt in filmsprache, sind nichts weiteres als film. die gepflegte neurose als harmloses hamsterchen. oder die "120 tage von sodom" , ein grausamer film von pasolini: randbetrachtungen am rande der kunst. der gärstoff liegt in den rändern: die grenzen sind es die sich ausdehnen und erweitern. der schlaf der vernunft gebiert ungeheuer. auch das ist menschlich. und deshalb erträglich, ja manchmal belustigend. bitterer ernst jedoch wird es , wenn wir die monster der wissenschaft betrachten: waren es nicht wissenschaftler, die das gas zyklon B erfanden, die atombombe oder gerade erst das menschliche klonen..so fragen wir uns schon wohin? immer auftauchend die frage nach der verantwortung und dem moralischen standard. fliessende ethik. auch das nur am rande, im zentrum steht enormes wissen.

Neben fragwürdigen arbeiten gibt es tausend wunderbare werke, die uns wie magnetisch anziehen, dunkel, mysteriös und bereichernd: eine herausforderung. dann, wenn zb. malerei uns mit dem unbekannten begegnen lässt, dem unsichtbaren, mit dem was man nicht mit worten ausdrücken kann, sondern eben nur mit den mitteln der malerei: so gesehen ist malerei immer eine analogie zum nicht sagbaren, unsichtbaren, nicht verständlichen. wir schaudern nicht sondern wir staunen. der franz. schriftsteller serge rezvani bemerkte: alle maler seien kinder - sie malen mit schmutz. sie verwandeln exkremente in gold. eine interessante feststellung, der maler kommt vom bauch her: der wissenschaftler vom kopf.
gurdjeff's unterteilung in objektive kunst und subjektive kunst : objektive kunst sind die grossen anonymen werke wie die pyramiden, die maya-tempel, die chinesiche mauer: es war das volk, die kultur, das wissen ihrer zeit, die diese werke geschaffen haben, keine einzelkünstler. durch die entwicklung der individualität, des egos, kennen wir keine gemeinschafltichen leistungen mehr, sondern eben nur noch einzelpersonen: stars der musikszene, der kunstszene und des wissenschaftsbetriebs (die nobelpreisträger): subjektive künstler und wissenschaftler, alle haben namen und einzelpositionen: doch alle diese positionen ergeben wieder das mosaik von heute. das bild der wirklichkeit. erkenntnisse aus dem ameisenstaat: teamgeist in verbindung mit verhaltensregeln machen das system leistungsfähiger.

Eine bemerkenswerte tatsache ist die, dass kunst und wissenschaft immer auf der suche sind. es verbindet sie geradezu. die suche als zentrales thema des lebens - wer bin ich? was aber oder wer wird wirklich gesucht? du bist der sucher und du bist der gesuchte. der indische dichter und mystiker omar kabir (14. jhdt.): man tu par utar kanh jaiho: zu welchen ufern willst du gelangen mein herz?
manchmal traf wie ein blitz den sucher die erleuchtung : dann wenn der kopf leer ist: den zenmönch auf der toilette oder die erkenntnis der doppel-helix von crix und watson beim nasebohren. ein bild des tao: der baum hat wurzeln in der erde und mit seinen ästen berührt er den himmel. so steht der mensch zwischen himmel und erde zwischen schwerkraft und leichtsinn. leichtsinn ist im englischen non-sense, dann wenn wir etwas nicht verstehen. das macht doch keinen sinn, sagt ein wissenschaftler, wenn er an seine grenzen kommt. doch genau darauf kommt es an, die grenzen mit leichtem sinn, genau mit non-sense zu überschreiten. wie sonst hätte einstein die relativitätstheorie gefunden, wäre er nicht kühn genug gewesen, über die grenzen seiner kollegen zu springen. begegne dem unbekannten mit der unschuld eines kindes, mit dem bewusstsein eines anfängers, the beginners mind, um an neue grenzen zu gelangen. künstler und wissenschaftler wissen , dass unsinn nicht intelligibel ist, aber ein neuer weg, ohne den das wissen um den unsinn nicht beschritten werden kann. ein wirklich schöpferischer, kreativer prozess: er vermittelt neue einsichten. grenzerfahrungen suchen: das sind die wirklichen motivationen, die künstler und wissenschaftler treiben, um neues zu erschaffen.

Was ist kultur? was immer wir erschaffen haben, in der kunst (damit ist auch gemeint theater film literatur poesie musik architektur neue medien) und in der wissenschaft, ist immer wesentlicher bestandteil einer kultur: hinzu kommen die verschiedensten geistigen und materiellen lebensäusserungen, mit denen der mensch seine eigene umwelt hervorbringt. kultur könnte man in verschiedene typen unterscheiden: kultur als menschliche tätigkeit überhaupt, als prozess, als ein system von normen, als stufe, als ziel bis hin zu den persönlichen lebens-und verhaltensweisen (in der kunst: high art, low art, cross-culture , sub-culture). my god, wie, um himmels willen, kommt die CDU dazu, sich bei der vielfalt der erscheinungsformen für eine richtung, für eine leitkultur, zu entscheiden? mögliche antwort: mir san mir.

Kunst wissenschaft kultur: wohin? alle epochen des schaffens unterlagen einer weltsicht, einer weltanschauung: einige hatten oder haben immer noch einen grossen einfluss: zb die sensorimotorische weltsicht, die archaische, die magische, die mythische, die rationale, die existenzielle und die psychische, besonders hervorzuheben wegen ihres ganzheitlichen aspekts sind nach ken wilber die weltsicht der archetypen und urformen, die kausale weltsicht (manifestationen der leere, im zen: die vielfalt der formen entstehen aus der leere und die leere drückt sich aus in den formen) sowie die nonduale weltsicht (strebt nach radikaler einheit von formlosem und der welt der formen). man kann sogar sagen , es gibt so viele weltanschauungen wie es einzelpersonen gibt: man kann alles mit allem mischen, von jeder anschauung sozusagen etwas mitzunehmen um sein eigenes leben zu gestalten. ein standpunkt der postmodernen revolution in philosophie, psychologie 5 und soziologie ist der, dass tatsächlich verschiedene weltanschauungen gleichzeitig existieren. eine vielzahl von welten mit pluralistischen interpretationen. noch dazu ändern sich die anschauungen von epoche zu epoche, von kultur zu kultur.

Künstler und wissenschaftler drücken immer einen teil ihrer kultur in ihren werken aus. Die paläolithischen künstler malten einen magischen raum, mit animistischen symbolen . die mittelalterlichen künstler malten einen mythischen raum, voll mit göttern, heiligen und engeln, mit dem auftauchen der moderne beginnt der realismus, bis hin zum abstrakten expressionismus. mit der postmoderne ist der trend zu existenziellen weltanschauungen, zur vielzahl der bilder und endlosen kreativität in eine sackgasse geraten. jean gebser nennt die postmoderne integral-aperspectiv, weil sie eine vielzahl von perspektiven bildet und integral, weil sie irgendwoirgendwie eine einheit, einen in sich geschlossenen zusammenhang in diesem salat bietet. das heisst aber auch, keine sicht ist besser als die andere, ausser der eigenen, die devise des pluralismus und der mannigfaltigen verschiedenheit geht unter in anything goes: und endet in einer paralyse des willens und der aktion. Ironie heisst das zauberwort, das heute über alles gepflegt wird: ein platz hinter dem du dich verstecken kannst, sag ein wort und meine etwas anderes: so wirst du nie überführt einen eigenen standpunkt zu haben. do not commit: sincerety is death. das heisst auch: konstruiere nicht- dekonstruiere, geh nie in die tiefe - sondern bleibe an der oberfläche, biete nicht inhalt an sondern verpackung. postmodernismus heute: die rationale weltanschauung ist vollgestopft von ideen, konzepten und perspektiven. das heisst aber auch den terror zu ertragen, den ein vom ganzen getrenntes isoliertes subjekt erdulden muss : die postmoderne wird sich selbst strangulieren. die frage steht im raum: wenn wir die ironie aufgeben -um ein seriöses statement abzugeben: wo sollen wir beginnen? wir wissen, dass die weltanschauungen wie in grossen wellen auf uns zu kommen, immer irgendetwas bleibt davon in erinnerung: wenn wir zu neuen horizonten aufbrechen, müssen wir nicht von ganz vorne beginnen. und die kunst sucht neue horizonte - jenseits des postmodernismus. doch welche horizonte bieten sich an? wir haben die chance zurückzufallen in eine unbewusste animistische weltanschauung oder eine ganzheitliche position, eine transpersonale ebene zu erreichen. anders ausgedrückt: nicht die rationale sicht oder die prärationale sicht ist entscheidend, sondern die transrationale. und diese hat nichts zu tun mit göttern und göttinnen, sondern mit innerer bewusstheit (awareness), die in die tiefe sinkt - sie hat nichts zu tun mit dogma und glauben, sondern mit einer schärferen wahrnehmung - nichts zu tun mit dem immerwährenden ego, sondern damit, es zu transzendieren. die tiefe des subjekts (des künstlers) entscheidet über die art der objekte.

Wir suchen eine neue plattform, auf der wir die welt neu betrachten können, nach innen und nach aussen. eine dieser ebenen ist die transpersonale schau, die bühne gehört der transpersonalen gesellschaft. neue mitglieder erhalten ein fernglas, um die transformation besser sehen zu können, wohl wissend, mehr als der maulwurf sieht der adler: die welt ist alles was der fall ist.
BE AN EAGLE.
Dezember 2000






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