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mayonnaise and the origin of life
zugegeben ein etwas ungewöhnlicher titel für eine ausstellung:
was hat mayonnaise mit dem ursprung des lebens zu tun? ein klick im internet und du findest jede menge literatur über das thema, von astrophysikern, biochemikern und evolutionsbiologen, aber einer der mich besonders faszinierte war eben dieser mister harold morowitz, philosoph und robinson professor für biologie und biochemie an der george mason universität. der unter titel des buches lautet "thaughts of minds and molecules".
aber mayonnaise? diese eklige ungesunde sauce auf den hamburgern von macdonalds, die nur gut schmeckt wenn man sie selber macht. sie besteht im grunde nur aus drei teilen: olivenöl, eigelb und essig.ein rezept, um lebende zellen zu mixen wäre wirklich viel komplizierter, aber die mikrostruktur von zellen und salatdressing hängt ab von einer klasse von molekülen von ungeheurer wichtigkeit in allen lebenden prozessen: den amphiphilen.
"amphi" kommt aus dem griechischen und bedeutet "beide teile" und "philos" heisst lieben. diese beiden teile die hier gemeint sind, sind öl und wasser. ihre molekularstrukturen ziehen an einem ende des moleküls wasser an und am anderen ende öl. sie kommen vor im eigelb, genauer im darin enthaltenen lecithin, und sind dafür verantwortlich, dass das alte sprichwort "wasser und öl kann man nicht mischen" eben nicht stimmt.
die entdeckung der mayonnaise, also dass man mit eigelb öl und wasser mischen kann, geht zurück bis in das mittelalter. manche behaupten, der name entstamme der eroberung des hafens port mahon 1756 (mahonnaise), wieder andere meinen es komme vom herzog von mayenne, einem feinschmecker dieser zeit (mayennaise), oder auch vom französischen wort für eigelb moyeu -also moyeunaise. egal.
die beiden enden der amphiphilen werden hydrophil (wasserliebend) oder lipophil (ölliebend) genannt. die grundphysik dieses phänomens hat man verstanden: alle materie besteht aus einem eher schweren stabilen kern und viel leichteren mobilen elektronen. lipophile moleküle haben einen hohen grad der symetrie ihrer elektronen - im gegensatz dazu haben hydrophile moleküle eine asymetrische elektrische struktur.
amphiphile moleküle sind also die grundstrukturen aller lebenden systeme und finden sich vor allem in den membranen und organellen der zellen. genauer gesagt ist also die halbdurchlässige membrane das entscheidende moment im aufbau der systeme: eine analogie: wie bei einem türsteher, dem bouncer, in einer disco: du kommst rein oder eben nicht. nicht moses hat die wasser der ozeane geteilt sondern es war eine membrane, die den ursprünglichen ölschlamm unter dem firmament trennte: in wasser und in öl.
von einem humanistischen standpunkt aus betrachtet, könnte man sagen, dass individualität in der welt zuerst auftauchte, als ein membranfragment sich abkapselte in einer geschlossenen schale - und sich damit vom rest des universums trennte. die existenz der individualität setzt also eine diffusionsschranke voraus, eine grenze, die von der umgebung trennt, aber auch von der fähigkeit zeugt zu diffundieren , sich vermischen zu können.
schon hier beginnen die überlegungen eines teilhard de chardin in seinem hauptwerk "der mensch im kosmos", in dem er argumentiert, dass die materie, um geist hervorzubringen, als urmaterie bereits besselt gewesen sein müsse und sich durch die evolution im bewusstsein des menschen ihrer selbst bewusst werde. er sieht den qualtitativen sprung von der biosphäre zur noosphäre, die schliesslich darin gipfelt dass sich die menschliche kultur zu einer weltkultur, dem punkt omega, entwickelt -
im unterschied übrigens zum tradtionellen biologischen gedanken des darwin mit seiner abstammungslehre. so sieht er die grossen übergänge: das erscheinen der materie, die bildung der erde, den ursprung der zellen und die entstehung des reflexiven denkens als letzte stufe, teleologisch: dass alles seinen sinn habe in dieser entwicklung. teleologie, die zielgerichtetheit, die frage nach dem warum, ist auch in der modernen chaosforschung als endpunkt verankert.
ja, sogar sloterdijk hat auf die entstehung und verwirklichung des individuums hingewiesen in seiner dreiteiligen hauptschrift blasen, globen und schäume. die welt als schaum- und nichts als blasen die in ihrer nachbarschaft zu anderen blasen - quasi wie ein individuum - sich abgrenzen und doch ein grosses gemeinsames bilden: immer mit den konditionen innen und aussen. auch hier wieder die membrane als wichtigste zutat. mit unzähligen beispielen: die volvox-alge als evolutionäres beispiel des übergangs von kolonien bildenden einzellern zum vielzelligen globulären und geschlechtsdifferenzierten individuum, die zelltheorie, höhlenbewohner, egospähren, insulierungen, brot und kuchen als halbsteife schäume, die artifiziellen schäume, die aerosole, polystyrol, die waben der biene, häuser, stadtstrukturen, die haut des menschen: ja die ganze gesellschaft - alles funktioniert wie ein grosser schaum: aufgehend niedergehend zerstäubend und wiederverquirlt zu einem neuen gehäuse.
am anfang standen die bakterien. sie wurden erstmals 1676 von leewenhoek beobachtet. es handelt sich dabei um einzellige mikroorganismen, die den pflanzen und tieren als selbständige systematische einheit gegenüberstehen. die systematik kennt heute ungefähr 2 500 arten. alle bakterien unterliegen in ihrem gefüge ungefähr 18 verschiedenen bauprinzipien. sie bewohnen in unermesslich grosser zahl den boden, die gewässer und den luftraum: sie können schädlich sein aber auch notwendig sein um bestimmte systeme aufrecht zu erhalten. interessant erscheint die frage: können bakterien denken? heute wissen wir dass sie lebende wesen sind, wobei ihre aktivitäten sich in psychologische beschreibungen einordnen lassen wie stimulus, antwort, anregung und adaption. also haben sie alle die grundvoraussetzungen für das denken, um entscheidungsprozesse zu entscheiden, in denen das leben erscheint, auftaucht, emporsteigt und uns bewusst wird....der beginn der kreativität- und deshalb auch interessant für die künstler. wir versuchen mit dieser ausstellung keine antworten zu geben- jeder findet seine eigene antwort in seiner arbeit - doch halte ich es für legitim nach dem ursprung des lebens zu fragen in einem künstlerischen kontext von heute....
die ausstellenden künstler sind:
roland schmitt, petra schneider, barbara gross, rüdiger noreikat, sascha i. ritter, peter vollmer, sabine hauerstein, sylvia mehlbeer, andreas bressmer, sibylle burr, martina staudenmayer, fritz bach, susanne giesa, dieter göltenboth, bruno demattio.
bruno demattio, geislingen, 4.12.2004
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